LYSISTRATA
Komödie von Aristophanes
PREMIERE 9. April 2025 - Theater Kempten
Regie und Choreographie
LYSISTRATA
Komödie von Aristophanes
PREMIERE 9. April 2025 - Theater Kempten
Regie und Choreographie
Kein Sex: Wie Frauen Männern den Krieg madig machen
Die Komödie „Lysistrata“ spielt mit einer verführerischen Erpressung: Frauen lassen ihre Gatten und Liebhaber erst wieder ins Bett, wenn sie den Kampf beenden. Das Theater Kempten packt in die Satire aber auch ernste Aspekte.
Von Klaus-Peter Mayr
Könnte man die Männer bloß fesseln! Lysistrata (Corinne Steudler) hat es bei einem (Alexander Sichel) geschafft. Hinten schaut Ismenia zu (Sandra Schmidbauer. Foto: Martina Diemand
Kempten Maschinengewehre rattern, Granaten explodieren, Bomben krachen, und alle paar Sekunden geht das Licht an, um bilderbuchartig die Zerstörung von Gegenständen und Seelen zu sehen. Nein, Krieg ist keine spaßige Sache. Krieg macht kaputt, die Welt und die Menschen. Deshalb lässt sich Aristophanes‘ Komödie „Lysistrata“, entstanden 411 vor der Zei- tenwende während des ewig lan- gen Peleponnesischen Krieges, heutzutage kaum mehr als solche inszenieren. Chris Comtesse hat für ihre Version am Theater in Kempten den Originaltext (in der Übertragung von Erich Fried aus den 1980er Jahren) aufgebrochen und konfrontiert die Satire über den Krieg mit der grausamen Rea- lität von Kriegen. Ein Konzept, das aufgeht. Auch, weil die Regisseurin eine faszinierende Form erfunden hat: Sie verbindet Theater mit Tanz.
Aristophanes Idee ist ja auch wirklich zum Lachen. Die Frauen aus den sich bekriegenden griechischen Stadtstaaten tun sich zusammen. Mit einem Sexstreik wollen sie ihre kämpfenden Männer zum Aufhören zwingen, schließlich dauert der Konflikt nun schon 20 Jahre. Und dann bringen sie auch noch die Staatskasse in ihre Gewalt. Kein Geld, keine Liebe: Das dürfte die stärksten Krieger zur Räson bringen. Deren Speere sollen wieder im heimischen Schlaf- zimmer, anstatt auf dem Schlachtfeld emporragen. Es ist ein verführerischer Plan, den sich die Athenerin Lysistrata da ausgedacht hat: Die Frauen haben ein Mittel gefunden, um den Männern die Macht über Krieg und Frieden zu entrei- ßen.
Fünf starke Frauen verschwören sich barfüßig, um den Krieg für den Frieden zu opfern, wie Lysistrata so schön sagt. Als ehemalige Tänzerin und freie Choreografin weiß Chris Comtesse, wie Schauspiel mit Bewegung zu verknüpfen ist. Höchst reizvoll reichert sie Theater mit klassischem und modernem Tanz an. Corinne Steudler, Julia Jaschke, Paula Herzig, Gamze Alakus und Sandra Schmidbauer tigern in ihren beigebraunen Kleidern raumgreifend auf der Spiel- fläche des kleinen Theatersaals umher, mal alleine, mal im Ensemble. Quasi als Anführerin agiert die geschmeidige Corinne Steudler, die in Kempten immer wieder in solchen Rollen glänzt.
Alexander Sichel als Vertreter der Spezies Mann macht eine ebenso gute Figur. Mal stellt er mit kaum zu bändigendem Trieb den Frauen nach, mal tritt er ihnen aggressiv-überheblich entgegen. So entstehen Szenen von herrlicher Komik und Artistik, etwa wenn die fünf Frauen den Mann mit einem langen dicken Seil fesseln und schikanieren. Und dann mischt auch noch der Bewegungschor des Theaters mit: Die 20 Männer und Frauen treten mit Schrubber und Kübeln zur Geschlechter-Schlacht an. Noch so ein vergnüglich-absurdes Bild mit choreografisch ausgetüfteltem Slapstick.
Diesen Spaß, der bei Aristophanes ein Happy End hat, konfrontiert Chris Comtesse mit dem Ernst der Realität. Im Fernsehen ist das Grauen der Kriege, die näher rücken, allabendlich zu sehen. Deutschland debattiert über Auf- rüstung und Wehrpflicht. Und im Allgäu erinnert man sich in diesen Wochen an die Verheerungen des Bauernkriegs vor 500 Jahren. Inso- fern ist „Lysistrata“ das Stück der Stunde, der Kommentar zur schlimmen Zeit. Es passt deshalb nur zu gut, dass die Grausamkeiten und der Terror gegen Frauen und Kinder in der Satire auch einen Raum erhalten.
Vermutlich aus diesem Grund hängte Übersetzer Erich Fried einen Epilog an den Stücktext an. „Das Spiel ist aus“, schreibt er. „Noch nicht aus sind die Kriege.“ Auch Aristophanes habe nicht geglaubt, dass der Wahnsinn zu be- enden sei. Er habe nur zeigen wollen, dass der Krieg Wahnsinn ist. Und dass es denkbar wäre, dass die Liebe siegt. Ganz nach der Parole der Friedensbewegung aus den 1980er Jahren: „Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin.“ Schön wär‘s!
Musikalische Komödie in einem Vorspiel und drei Akten von Alexander Zemlinsky
Libretto von Leo Feld unter Benutzung von Gottfried Kellers gleichnamiger Novelle
"Mannheimer" Fassung (1913) Nach der Kritischen Erstausgabe von Antony Beaumont
Uraufführung in deutscher Sprache
Opernwelt, März 2025